ORGANIZE!

Vernetzung für Solidarität und kollektive Selbstermächtigung

„Wir sind nicht unbeteiligt, wir sind nicht unparteiisch, wir sind nicht unsolidarisch!“ Statement zum Konflikt um das Goldhorn und zwei Ladenprojekte

Liebe Alle,

wir möchten hiermit eine Stellungnahme zum Konflikt um das Goldhorn und die Ladenprojekte zur Lektüre anbieten. Diese Positionierung erscheint erst jetzt, da die Ereignisse einige Diskussionen bei uns entfacht haben. Das ist gut, weil es lehrsam ist, und schade, weil es uns von unserer eigentlichen politischen Arbeit abhält. Notwendig ist es aber allemal! Wir stellen fest: Wir sind nicht unbeteiligt, wir sind nicht unparteiisch, wir sind nicht unsolidarisch.

 

Die Faktenlage ist undurchsichtig. Wahr und Falsch liegen nah beieinander, insbesondere weil Fakten hier nicht nur Verträge und Gutachten bedeuten, sondern auch viele Jahre undokumentierte Ereignisse und Gespräche. Das heißt, die Fakten sind oft Interpretationen von Akteur*innen und von der jeweiligen Haltung gefärbt. Natürlich nährt sich der Konflikt wegen seiner Popularität von Unwissen, gefährlichem Halbwissen und Gerüchten und da scheinen Fakten ein gutes Gegenmittel. Wir glauben, dass es auch an den Ohren und den Mündern liegt was geglaubt und verbreitet wird. Bare Münze für Gerüchte: Ja manchmal will man auch hören, dass jemand scheiße ist! „Na klar! Hab ich schon immer gesagt!“ Doch mal den gesunden Zweifel anschalten und die Menschen direkt fragen. Unsere Empfehlung: fragt sie nicht nur nach den Fakten, sondern auch wie es ihnen geht!

Organize! Q-Tips: Für unseren Beitrag die Ohren zu polieren und den Zweifel zu wecken, wir erläutern in diesem Teil unsere Rolle, unsere Haltung und unsere Sicht auf den Konflikt.

 

Zu unserer Rolle:

Organize ist langjährige Nutzer*in der Ladenfläche 109. Wir nutzen die Räume zum Plenieren, um Veranstaltungen und Workshops vorzubereiten und abzuhalten und manchmal auch einfach, um abzuhängen und zusammenzukommen. Wir hatten und haben unzählige Pläne für unsere Nutzung und Gestaltung der Räume (Stadtteilbüro, Aktionsecke, kleine politische Leseecke, Offenes Nachbar*innen-Café, selbstbestimmtes Bildungswerk, u.v.m.). Die 109 stellt nicht nur für uns, sondern auch für viele andere Gruppen einen zentralen und in der Form unersetzbaren Raum für unser Aktiv-sein dar.

Organize hat personelle Überschneidungen mit den Orgateams der Ladenprojekte und ist seit den Vernetzungstreffen Ost vor über drei Jahren im intensiven Kontakt mit allerlei Akteur*innen und Initiativen im Stadtteil, insbesondere mit den unkommerziellen Ladenprojekten. Wir arbeiten kontinuierlich für den Austausch in diesem Netzwerk und dessen Erweiterung. Im Rahmen unserer Aktivität im Stadtteil haben wir auch das GH bereits für eine unserer Veranstaltungen genutzt und stehen mit früheren und derzeitigen Angestellten und Betreibern in sporadischem aber freundlichem Kontakt.

Organize war im Aktionsbündnis vertreten, hat mitdiskutiert, geplant und organisiert. Das Aktionsbündnis hat sich, entgegen der öffentlichen Darstellung durch das Goldhorn, nicht ausschließlich mit dem Konflikt um Goldhorn und Ladenflächen beschäftigt. Die Perspektiven, die Visionen und die Aktivitäten, die in dem Bündnis zusammengekommen sind, sind weiter aufgefächert als dargestellt. Sie enthalten nachbar*innenschaftliche Organisierung gegenüber staatlichem und wirtschaftlichem Druck, gemeinsame Nachbar*innenschaftsstrukturen sowie Versammlungen usw.

 

Zu unserer Perspektive:

Als erstes müssen wir akzeptieren, dass eine lebendige Stadtteilkultur einen Fächer grundverschiedener Lebensentwürfe bedeutet. Dabei haben wir auch viel gemeinsam. Der Stadtteil in dem wir Leben bestimmt unseren Alltag mit.

Was den unkommerziellen und den kommerziellen Läden gemeinsam ist, sind eben auch große Teile ihrer Nutzer*innen, Besucher*innen und Konsument*innen. Auch wenn einige Menschen nur das eine Angebot und andere nur das andere Angebot wahrnehmen, so gibt es auch eine große Überschneidungsmenge. Und natürlich verhalten sich nicht alle immer cool und rücksichtsvoll. Es geht also um Sensibilisierung: Das Goldhorn will als wirtschaftend akzeptiert werden und für Aufwand und Mühen honoriert werden. Dabei bedingt das Goldhorn die finanzielle Existenz für Betreiber(*innen) und Angestellte.

Die unkommerziellen Ladenprojekte wollen als Orte der gemeinsamen Verantwortung anerkannt und entsprechend behandelt werden, um letztlich gemeinschaftlich genutzt und gestaltet zu werden. Dabei bedeuten sie für eine große Anzahl an Menschen eine ideelle, insbesondere aber eine soziale Existenz. Wie schon oben bemerkt, wäre unser Engagement ohne diese Läden nahezu unmöglich. Für andere bedeuten Räume ohne Konsumzwang oder finanzielle Hürden eine Grundlage für soziales Zusammenleben. Es geht aber auch darum, dass die Ladenprojekte Orte darstellen, die regelmäßig für Solizwecke genutzt werden und so politisches Engagement, aber auch „privates“ Leben außerhalb der Möglichkeiten der Normgesellschaft, finanziell ermöglichen. Dass nicht klassisch gewirtschaftet wird, bedeutet keineswegs, dass nicht enorm viel Mühe, Lebenszeit und Liebe in die Projekte fließt. Auch an den Ladenprojekten hängen Existenzen!

Wir möchten darauf hinweisen, dass die Betreiber*innen des Goldhorn durch Legalisierung und / oder Eigentum eine strukturell mächtigere Position gegenüber der Ladenprojekte innehaben. Das macht aus ihnen keine schlechten Menschen. Aber Menschen mit Privilegien und vielerlei Möglichkeiten, die die Ladenprojekte nicht haben (sicher auch Zwängen und viel Verantwortung). Wir vermissen die konstruktiven Lösungsvorschläge gegenüber den Ladenprojekten und anderen Akteur*innen. Man muss sich nicht gegenseitig ausspielen.

 

Der Konflikt hat nicht eine Front & zwei Parteien!

Der Konflikt durchzieht den (ganzen) Stadtteil, aber nicht anhand einer klaren Linie und betroffen sind auch nicht bloß eine Handvoll Menschen. Es gibt die verschiedensten Argumente und verschiedensten Perspektiven, die in wechselnden Kombinationen von unzähligen Akteur*innen eingenommen und vertreten werden. Der Konflikt wird in allerlei Konstellationen diskutiert, es wird in Freund*innenkreisen und Gruppen gestritten und Menschen werden z.T. in Positionen gedrängt, die sie nicht einnehmen wollen. Aber es gibt auch Menschen, die in den endlosen Diskussionen wechselnd oder sogar für beide Seiten eintreten! Wir zollen allen jenen besonderen Respekt, die für eine Lösung auf Augenhöhe engagiert sind!

(Wir wissen von Menschen, die beim Goldhorn Geld verdienen und früher regelmäßig die Repro (Spendenakquise) in der 109 geschmissen haben. Es gibt Menschen, die schon un- und kommerziell Klos geschrubbt haben!)

 

Zu unserer Haltung:

Wir distanzieren uns nicht vom Aktionsbündnis, denn wir vertreten die selbe Haltung. Wir fordern den GEMEINSAMEN Erhalt der Ladenprojekte! Wir fordern diesen Erhalt im Zusammenwirken mit allen Menschen des Stadtteils, die ein Interesse an einer lebendigen und diversen Stadtteilkultur haben. Insbesondere mit denen, die die Ladenprojekte besuchen und dort konsumieren! Gerade jetzt in diesem Moment braucht es euer Interesse und eure zündenden Ideen für kreative Lösungen! Es braucht eure offenen Ohren und denkenden Köpfe!

Dem Goldhorn wollen wir sagen: Eigentlich haben wir doch alle von allem genug?! Es kommen immer mehr Menschen in den Stadtteil und bringen Ideen, Zeit und Geld mit. Wenn wir sie gemeinsam begrüßen, mit dem Vorhandenen vertraut und auf die Auswirkungen ihres Handelns aufmerksam machen, dann bedeutet es eine vielversprechende Zukunft für alle Projekte, Kneipen und Menschen im Stadtteil! Wir sind uns sicher, dass noch nicht alle Möglichkeiten in Betracht gezogen wurden! No need for Konkurrenz!

 

PS: Wir wollen das Goldhorn ausdrücklich bitten, ihr Statement bezüglich der Gewaltandrohungen und Anfeindungen zu präzisieren. Es ist essenziell wichtig, von welcher Art von Gewalt gesprochen wird und wer genau sie angedroht hat.  Durch die unpräzisen Formulierungen stellt das Goldhorn Statement eine (nicht zu akzeptierende) Diskreditierung der ehrenamtlich organisierenden Menschen der Läden dar, bzw. das Goldhorn nimmt diese in Kauf. Hier werden Menschen durch schwammige Formulierungen unter Generalverdacht gestellt und diskreditiert, die zu keiner Zeit solche Androhungen ausgesprochen haben oder generell Gewalt androhen geschweige denn anwenden würden.

 

Organize! – Vernetzung für Solidarität und kollektive Selbstermächtigung
Leipzig, den 08.07.2018

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